Bei einem „Infoabend“ in St. Andreas, der auch architektonisch sehr besonderen Kirche in unserem Viertel, durfte ich gestern abend sechs Experten-Kurzvorträge erleben, die superinteressant und deshalb eigentlich viel zu wenig ausführlich waren. Großartig war es dabei zu erleben, wie alle sechs, nein, sieben Vortragenden mit spürbarer Leidenschaft für ihre Sache brennen. Hier ein kurzer Überblick:

Ernährung für Gesundheit und gegen Krankheit war das Thema von Univ.-Prof. Dr. med. Thorsten Cramer. Seine Ausführungen sind griffig und lebensnah, er redet mit Witz und Sachverstand über den Sinn von Sport und die Angst vor Salz und über vieles alltäglich Wichtige mehr… Die „10 Regeln“ der DGE hält er teilweise für von neueren Erkenntnissen überholt und belegt uns gleichzeitig an einigen Beispielen sein optimistisches Credo: „Gesunde Ernährung ist nicht schwierig!“.

Über Ernährung und Umwelt spricht Dr. Alexander Mauckner, der in Aachen bekannt ist als Mannschaftsarzt der Alemannia, aber sich neben seiner Praxis sehr engagiert beim Ökologischen Ärztebund. „Ernährung hat eine hohe Relevanz für den Klimawandel!“, macht er uns mit vielen Zahlen klar, keine davon ist von der Hand zu weisen und ich finde es nicht fröhlich, aber enorm beeindruckend… Er ist überzeugt, daß die Änderungen des weltweiten Ernährungsverhaltens „von unten“ kommen müssen, also von jedem von uns. Als hervorragendes Beispiel für eine gute Absichtserklärung führt er die Bristol Good Food Charter von 2011 an.

Werner Römgens, Leiter des HIT-Marktes an der Krefelder Straße, erzählt uns über Marktmechanismen des Lebensmittelhandels aus der Sicht des erfahrenen Praktikers. Wahrscheinlich sind viele im Publikum regelmäßig im HIT, den Fragen merkt man an, daß wir uns fast alle dort auskennen. Wir hören, wie wichtig ihm Nachhaltigkeit ist – „Wachstum geht SO nicht weiter“ – und welchen Schwierigkeiten ein Lebensmittelmarkt bei der Umsetzung nachhaltiger Konzepte unterworfen ist. Weshalb gibt es in seinem Laden zum Beispiel Bio-Fleisch derzeit nur abgepackt? Er versichert uns, daß unsere Wünsche gehört werden und der Supermarkt relativ kurzfristig auf unser Kaufverhalten reagiert – würden wir also nicht zu 20 Zahnpasta-Sorten greifen, sondern nur zu 10, so würde sich das im Angebot niederschlagen… Unser Kaufverhalten ist also das eine, die Überzeugungen der einzelnen Akteure im Handel sind das andere. Um sich den von Herrn Römgens als Leitlinie genommenen Sustainable Development Goals der Welthungerhilfe immer mehr zu nähern – alle gemeinsam, denn alles greift ineinander.

Als nächstes reden Silvia Moss und Hans-Bernd Schwienhorst von der Bäckerei Moss über Regionalität – was ist überhaupt möglich. 57 Filialen in der Region betreibt das Familienunternehmen, gebacken wird bevorzugt mit regionalen Rohstoffen – allein beeindruckende 2.100.000 Eier werden im Jahr benötigt –, Großhandelsware wird nicht verwendet: „Wir verstehen uns als regionaler Produzent.“ Sie kennen ihre Landwirte persönlich, verhandeln mit ihnen über speziell für Moss anzubauende Sorten, tragen die Besonderheiten des streng regionalen Einkaufs mit – Wetterabhängigkeit beispielsweise, und warum gibt es Erdbeerteilchen nur in der Erdbeerzeit? „Wir wollen pur sein!“ Daß das Unternehmen „ehrliche Preise für ehrliche Produkte“ berechnen muss, versteht sich dabei von selbst – über 600 Mitarbeiter sind schließlich nicht nur eine menschliche, sondern auch eine kaufmännische Verantwortung.

War die Soers früher der sogenannte Gemüsegarten der Stadt, so sind heute nur noch vier Höfe übrig, zwei von ihnen auf reine Milchwirtschaft ausgerichtet. Für den Weg der Direktvermarktung all seiner Erzeugnisse – in einem der allseits beliebten Hofläden – hat sich hingegen Christoph Bonnie entschieden und erzählt über den Beitrag der Landwirtschaft in der Soers. Warum ihm zum Beispiel der regionale Aspekt viel wichtiger ist als ein Bio-Siegel und daß er so viel wie möglich richtig macht, gemessen an der Überschrift des Abends. Er liebt den Kontakt mit seiner Kundschaft und ist offenkundig glücklich mit dem, was er tut. Den Betrieb und damit die Herkunft seiner Erzeugnisse zeigt er gerne jedem detailliert, der das möchte. Er schließt lächelnd mit dem wichtigen Satz: „Nicht nur das Auge, sondern auch das gute Gefühl isst mit.“

Mit der Frage Wasser – unser wichtigstes Lebensmittel in Gefahr? beschließt Prof. Dr.-Ing Markus Schröder, hier vor allem in seiner Eigenschaft als Beirat der DWA NRW, den Reigen der Kurzvorträge. Mit Verve und unglaublicher Faktenmenge und vor allem seinem entschiedenen „Ja!“ als warnende Antwort auf seine Eingangsfrage will er unser Bewusstsein für eine angemessenere Wertschätzung unseres Lebenselixirs Wasser wecken. Eine weltweite Notwendigkeit, denn „Wasser ist in einem weltumspannenden Kreislauf“. Er verweist uns außerdem auf die Wassercharta 21, hier könne/solle man doch mal weiterlesen.

Zweieinhalb Stunden im Galopp durch einen großen Teil der aktuell wichtigsten Themen unseres (Weiter-)Lebens, runtergebrochen auf praktische Machbarkeit für jeden Einzelnen – puh, das war intensiv… Das Ganze wurde charmant und eloquent moderiert von Sabine Meyer-Wagner, danke auch dafür! Wie für diesen ganzen Abend – ich bin froh, dabei gewesen zu sein, und schon gespannt auf eventuelle Folgeveranstaltungen zu diesem Thema, das uns wirklich alle betrifft.

Dieser Beitrag ist zuerst auf meinem persönlichen Blog ichtuwasichkann.de erschienen.


 

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